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Ich hatte einen vermutlich wenig außergewöhnlichen Einstieg in die Welt der Musik:
- Großtante verleiht das alte Klavier an die Familie (und ja, sie wollte es später wirklich wieder haben, aber das ist eine andere Geschichte)
- Große Schwester bekommt Klavierunterricht
- Kleiner Bruder (ce moi) folgt ihr nach
- Musik machen ist cool, d.h. kommt bei Freunden und Mädchen gut an, also Band gründen und in Kellerräumen herumhängen
- Coverversionen spielen, die aber zu oft nicht so gut klingen und keine Lust zu üben haben, damit es besser wird
- Also eigene Songs schreiben, auch um Schülerlyrik los zu werden, Weltschmerz zu teilen und versteckte Liebesbriefe beim angesagten Schwarm zu platzieren
- Immer wieder neue Schlagzeuger suchen, trainieren auf die Songs, wegziehen sehen, neuen Schlagzeuger suchen
- Immer wieder über die Richtung der Band streiten und coole Bandnamen suchen (manchmal auch finden)
- Nachts, oft mit Regen (oder fühlte sich das nur so an?) Plakate unter Brücken und an anderen semi-öffentlichen Orten für den nächsten Gig kleben
- Lange Haare wachsen lassen, Geld für Equipment sparen
- Immer und immer wieder Schlagzeugern, Gitaristen beim lauten Stimmen der Instrument zu hören, während man in schimmeligen Proberäumen (oft unterirdisch) sitzt und sich fragt, was man dort tut bzw. welches Ego als nächstes platzt oder über anderes Ego herfällt
- “Ich höre mich nicht”-Dialogen in unterschiedlichen Richtungen, Besetzungen und Lautstärken beiwohnen
- Dabei oft das Gefühl haben, dass man sich höchstens – wenn überhaupt – auf der Stelle “bewegt” was Weiterentwicklung angeht
- Sich über unzuverlässig Mitspieler ärgern und selber zu spät zur Probe kommen
- Gigs unter Einfluß von ausreichend Alkohol spielen und SPASS(!) haben oder…
- … frustriert sein, weil nur 8 Leute da waren (und 6 davon kannte man persönlich)
Dann kam Studium und Arbeit und somit war keine Zeit mehr zum Herumeiern und die Bandzeit war somit für mich vorbei. Ich habe mich daher damals entschieden ganz auf “Homerecording” (sagt man das heute noch?) umzusteigen und einer der wesentlichen Punkte war Kontrolle:
- Ich entscheide, wann ich etwas mache oder lasse
- Ich kann stundenlang Sounds und Hallräume ausprobieren ohne das jemand stöhnt, warum es nicht weitergeht
- Ich muss nicht mehr stundenlang Gitarristen beim Finden der perfekten Verzerrung zuhören und mich beschweren, dass es nicht weitergeht
- Ich mache jede Probe an der Stelle weiter, wo ich aufgehört habe und falle nicht wieder um Wochen/Monate zurück, weil ein Bandmitglied wechselt oder weil spontan vergessen wird, was besprochen wurde
- Ich stelle die Sachen ins Netz und muss keine schweren Kisten zu Gigs schleppen
Irgendwann kommt dann der Punkt, wo man nur noch den selben Kram macht oder ganz aufgibt. Nur im eigenen Saft zu schwimmen führt dazu, dass die Leute über einen sagen “Er hat seinen Stil gefunden” (= langweilig, weil immer das selbe) oder man gibt frustriert auf.
Zwischenlösung ist für mich daher den Determinus wieder aufzugeben und den Zufall als Arbeitsrelement zu zu lassen. Das jedoch nicht in Form von Personen sondern über die Tools und Methodiken.
Hierzu ein paar Beispiele:
- Nicht lange Presets durchhören, sondern das erste nehmen, was gut klingt. Dabei nicht systematisch vorgehen sondern gerne spontan herumspringen
- Das gleiche bei der Auswahl von Samples: Sehr unterschiedliche Samples mischen ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten
- Wenn es nicht gut ist, wegwerfen. Nicht erst lange kompostieren und immer und immer wieder hören, bis man dann doch etwas Schönes daran findet
- Features von Ableton verwenden, die Determinius herausnehmen, wie Beat Repeater und zufälliges Abspielen von Clips
- Features von Spectrasonic Stylus RMX verwenden, die die Loops zufällig verändert (Chaos Designer)
- MIDI Sequenzen mit Tonerzeugern kombinieren, die nicht dafür gedacht waren
- iPad App Node Beat verwenden. Hier macht es schon meinem kleinsten (5 Jahre) Spaß Musik zu machen, da wird sein alter Herr das auch noch hinbekommen, oder?
Kurz: Kontrolle aufgeben. Ein Gedanke, der mir gleichzeitig gefällt und mich in den Wahnsinn treibt. Bei der coolen Jam Session kein Band laufen zu haben, wäre schon sehr schade.
Wenn ich das konsequent durchdenke, führt das vermutlich dazu, dass ich wieder mit anderen Leuten zusammen Musik machen werde, aber sicherlich nicht in schimmeligen Proberäumen. Wer diesbzgl. Ideen hat, soll sich bitte melden. Man kann über alles reden und wir werden uns auch kaum über die Ausrichtung der Band streiten, sondern lieber eine Modus finden, der für alle funktioniert.
-mE |
One thought on “Über Kontrollzwang und mein Weg zur Musik”